Wolfgang Pütz - Steuerbüro in Mönchengladbach seit 1968

Ermittlung der AfA auf Basis von Wertgutachten

18. September 2023

Das Finanzgericht Münster hat entschieden, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist,
im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer für Immobilien darzulegen und
gegebenenfalls nachzuweisen. Die Würdigung der insoweit von Klägern dargelegten Umstände
obliegt dann im Klageverfahren dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz.
Vor diesem Hintergrund ist etwa die Vorlage eines Bausubstanzgutachtens, insbesondere
die Zustandsermittlung von Immobilien mit Hilfe des sog. ERAB-Verfahrens (Verfahren zur
Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen), seitens des Steuerpflichtigen nicht Voraussetzung
für die Anerkennung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer. Wählt der Steuerpflichtige oder
ein von diesem beauftragter Sachverständiger daher aus nachvollziehbaren Gründen eine andere Nachweismethode,
kann dies Grundlage für die im Einzelfall erforderliche Schätzung einer verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer sein,
soweit aus der gewählten Methode Rückschlüsse auf die zu ermittelnden Determinanten möglich sind. Da im Rahmen
der Schätzung nur die größtmögliche Wahrscheinlichkeit über eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer verlangt werden
kann, würde eine Verengung der Gutachtenmethodik oder eine Festlegung auf ein bestimmtes Ermittlungsverfahren
die Anforderungen an die Feststellungslast überspannen.

Dabei kann auch das Verfahren der Gebäudesachwertermittlung (im Rahmen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG)
Anwendung finden. Auch wenn das dabei anwendbare Modell zur Ableitung der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer
für Wohngebäude unter Berücksichtigung von Modernisierungen nicht primär darauf gerichtet ist, die tatsächliche
Nutzungsdauer zu ermitteln, kann ein solches Modell geeignet sein, eine sichere Überzeugung über die im Einzelfall
anzuwendenden Schätzungsgrundlagen zu bilden. Eine Rechtfertigung, vom (baurechtlichen) Grundsatz der
Gleichwertigkeit der Bewertungsverfahren aus steuerrechtlichen Gründen abzuweichen, besteht nicht (Az. 1 K 487/19).